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AWA-medical-Gründer Olaf Wienhold im Interview: Die Arbeit muss zum Leben passen

Immer mehr Pflegekräfte kündigen. Allein in den ersten drei Monaten der Corona-Pandemie haben 9.000 Pflegekräfte ihre Stelle aufgegeben. Stand heute fehlen nun allein auf den Intensivstationen 50.000 Fachkräfte. Tendenz steigend. Dabei ist dieser Mangel eine selbst geschaffene Folge von unzureichender Personalpolitik und chronischer Überforderung der Pflegekräfte, so die Meinung von AWA-medical Gründer Olaf Wienhold. Er hat selbst über 30 Jahre als Fachpfleger in der Intensivmedizin gearbeitet und weiß genau, warum das Personal den Kliniken den Rücken kehrt.

Wir haben mit Olaf Wienhold über sein Unternehmen AWA-medical gesprochen und sind tiefer in die Materie der Personalsituation in der Pflege eingestiegen.

AWA-medical Gründer Olaf Wienhold im Unternehmer-Deutschlands Interview

Herzlich willkommen bei Unternehmer Deutschlands, Herr Wienhold. Bevor wir mit Ihnen genauer über die Problematik des Fachkräftemangels in der Pflege sprechen, könnten Sie sich und Ihr Unternehmen kurz für unsere Leser vorstellen?

Sehr gern. Ich bin Olaf Wienhold, 57 Jahre alt und gelernter Fachpfleger für Intensivmedizin. Da ich nach über drei Jahrzehnten in der Pflege viel erlebt habe und auch unhaltbare Zustände erkennen musste, habe ich mich vor einigen Jahren zur Gründung meiner Arbeitnehmerüberlassung “AWA-medical“ entschieden. Einem Dienstleistungsunternehmen für Kliniken, Praxen und medizinische Versorgungszentren zur Bereitstellung von medizinischem Fachpersonal sowie Fachärzten in dem Bereich Intensivpflege, OP und Anästhesie.

Das klingt nach einer klaren Spezialisierung. Hängt das mit Ihrem Werdegang zusammen?

AWA-medical Olaf Wienhold

AWA-medical-Gründer Olaf Wienhold

Auf jeden Fall: Mein Werdegang hatte einen großen Einfluss darauf. Nach drei Jahrzehnten in diesem Bereich könnte ich ein Buch über die Abläufe auf den unterschiedlichsten Stationen schreiben. Nicht zuletzt, weil ich auch oftmals meine Stelle gewechselt habe. Die Anforderungen an mich als Fachkraft wurden zunehmend überfordernd. Kein Wunder, da eignest du dir in einer jahrelangen Ausbildung viel Spezialwissen an und anstatt diese Kenntnisse für die Patienten vollumfänglich zu nutzen, überrennt dich der Arbeitsalltag. Zahlreiche Verpflichtungen außerhalb meiner Profession, die schlussendlich die Zeit am und für den Patienten verringerten.

Dazu kamen lange Dienstzeiten, Wechselschichten und der Druck, der täglich auf einem lastete. Immer wenn ich wechselte, war ich der Meinung, dass es nicht noch schlimmer werden könne. Ein Trugschluss. Irgendwann fiel meine Entscheidung auf die Zeitarbeit. Und auf einmal wurde ich als Fachkraft geschätzt. Mich erwarteten geregelte Arbeitszeiten, Aufgaben, die mein Berufsbild vorsahen und das gute Gefühl akzeptiert zu sein. Ich war wirklich zufrieden und konnte mich nicht beschweren.

Allerdings erkannte ich einen Mangel an Unternehmen, die fokussiert Fachkräfte wie mich oder Fachärzte in Form der Arbeitnehmerüberlassung vermittelten. Also wagten meine Lebenspartnerin Wiebke Abel und ich den Schritt zur Gründung von „AWA-medical“. Die beste Grundlage dafür bot unsere Berufserfahrung, um mit der richtigen Expertise an die Sache zu gehen.

Also haben Sie den Job aufgegeben und dafür Ihr Unternehmen aufgebaut?

Nein, so einfach war das nicht. Ich wollte ja ein Unternehmen schaffen, das die Fachkräfte mit offenen Armen empfängt, gerechte Gehälter zahlt und den Job mit dem eigenen Leben vereinbar macht. Also beschloss ich, stets selbst bei all meinen Kunden zu arbeiten. Mindestens einen Monat, um sicherzustellen, dass es unseren Mitarbeitern dort wirklich gut gehen würde.

Zudem ist das Fachpersonal im Bereich Intensivmedizin und Anästhesie rar gesät. Folglich musste ich ebenso einspringen und mich an die Kunden „ausleihen“, damit meine Kunden nicht ohne die passende Fachkraft dastanden.

Und jetzt arbeiten Sie nicht mehr selbst in der Pflege?

Nein, mit 57 Lebensjahren alt und 30 Jahren in diesem Beruf ,ist jetzt Schluss. Ich habe alle Höhen und Tiefen erlebt, der Schichtdienst kostet unheimlich viel Kraft. Außerdem braucht mich mein Unternehmen. Wir sind regelmäßig über mehrere Monate im Voraus ausgebucht und haben es schwer neue Fachkräfte zu finden, die mit uns zusammenarbeiten. Nicht zuletzt, weil die Arbeitnehmerüberlassung durch die schwarzen Schafe in der Branche verbrannt ist.

Wie merken Sie das im Alltag?

Es ist die Skepsis, die einem entgegenschlägt. Wer von Arbeitnehmerüberlassung hört, der denkt an Zeitarbeit und Ausbeutung, ständiges „Herumschubsen“ der Mitarbeiter. Das stimmt einfach nicht. Ich will keinesfalls behaupten, dass es nicht solche Anbieter in der Branche gibt, aber die meisten gehen fair mit ihren Kräften um.

Genau diese Mitarbeiterfairness steht auch bei uns im Zentrum. Wir zahlen über Tarifvertrag, bieten eine 35-Stunden-Woche, leisten Ausgleichszahlungen und unternehmen alles, damit unsere Mitarbeiter eine Anstellung haben, die mit ihrem Leben in Einklang steht. Bedeutet: Die Einrichtung flexibler Dienstzeiten, um die eigenen Kinder gut versorgen zu können oder auch die Möglichkeit von spontanen freien Tagen, wenn erforderlich. All das, was eine Klinik eben nicht ad hoc leisten kann oder ins Straucheln gerät, weil dann eine Kraft ausfällt.

Also sehen Sie die Arbeitnehmerüberlassung in der Pflege als Gewinn an?

Natürlich. Für die Kliniken und die Fachkräfte gleichermaßen. Wenn ich heute nach Skandinavien schaue, dann sind nahezu alle Berufe in das Modell „Zeitarbeit“ eingebunden. Die Unternehmen fragen die Kräfte an und können problemlos buchen. Die Arbeitnehmerüberlassung übernimmt die Abrechnung, die Betreuung der Mitarbeiter, deren Fortbildung und vor allem erfüllt sie alle Auflagen.

So machen wir es auch. Dazu erfolgt jedes Jahr eine Prüfung durch den Zoll, die Krankenkassen, das Arbeitsamt und das Finanzamt, ob unsere Mitarbeiter gerecht entlohnt werden und wir insgesamt ordnungsgemäß abrechnen. In diesem Zusammenhang steht übrigens auch die Einhaltung der Arbeitszeiten, nur als Beispiel.

Wer nun aber regulär angestellt ist, der muss mit endlosen Dienstplänen, über mehr als eine Woche, rechnen, Wechselschichten, dauerhaftem Stress. Ist doch klar, dass die Kräfte schnell erschöpft sind.

Also können Sie den Stress der Mitarbeiter komplett vermeiden?

AWA-medical Wiebke Abel

AWA-medical Mitbegründerin Wiebke Abel

Ganz vermeiden kann ich den Stress nie. Den vorgegebenen Personalschlüssel einer medizinischen Einrichtung können wir nicht ändern, aber wir sorgen dafür, dass unsere Mitarbeiter entspannt zur Arbeit kommen und dadurch leistungsfähig bleiben.

Unter anderem gilt bei uns der Grundsatz: Frei ist frei und Urlaub ist Urlaub. Da wird keiner angerufen und gefragt, ob er einspringen kann. Jeder muss mal abschalten dürfen, um neue Kräfte zu sammeln. Und für jeden soll die Arbeit auch zum Leben passen.

Vielleicht an dieser Stelle ein Beispiel: Durch meine eigene Erfahrung weiß ich, wann der Betrieb auf einer Station so richtig in Gang kommt. Zwischen sieben und acht Uhr morgens. Warum sollte dann mein Mitarbeiter schon um sechs Uhr morgens da sein, wenn er noch gar nicht wirklich gebraucht wird? Ich kann mich lebhaft an meine Zeiten erinnern, als mein Wecker 4:30 Uhr zum Frühdienst klingelte. Ich war schon nach dem Aufstehen wie erschlagen. Und dann saß man sechs Uhr morgens auf Station und verbrachte eine gute Stunde damit Kaffee zu trinken und mich vorzubereiten. Das geht doch zuhause genauso gut.

Wenn unsere Kräfte erst um sieben Uhr anfangen, haben sie ausreichend Zeit für ein gutes Frühstück, können ihre Kinder entspannt zum Kindergarten oder zur Schule bringen und sind ausgeschlafener.

Wie stehen denn Ihre Kunden zu Ihren Unternehmensgrundsätzen?

Allesamt positiv. Sie freuen sich über das motivierte Personal und erleben täglich, wie schön es sein kann, wenn die Fachkräfte mit Freude und Leidenschaft an den Job gehen. Zudem unterstützen unsere Kunden auch die Flexibilität in den Dienstzeiten, um damit weitere Vorteile für die Mitarbeiter zu schaffen.

Mal ganz neutral betrachtet, es kostet unseren Kunden auch keinen Cent mehr. Wir haben als AWA-medical für uns entschieden, dass zuverlässige Mitarbeiter, die pünktlich zur Arbeit erscheinen, einen guten Job machen und uns die Treue halten, einen Tag mehr „frei“ bekommen bei vollem Lohnausgleich. Das zahlen wir aus eigener Tasche. Der Kunde selbst bekommt eine Kraft für 32 Stunden wöchentlich zur Verfügung gestellt.

Wir machen also den Kunden glücklich und unsere Mitarbeiter ebenso.

Aber werden die meisten Mitarbeiter nicht nach Ablauf der Überlassungszeit von den Betrieben übernommen?

Theoretisch ist das möglich und auch schon vorgekommen. Der Wechsel erfolgt einfach nach dem Vertragsablauf. Wir verlangen da auch keine Ablösesumme. Schlussendlich müssen die Mitarbeiter ja glücklich mit ihrer Entscheidung sein. Denn ihr Wohl steht bei uns von Anfang bis Ende einer Beschäftigung unumstritten im Mittelpunkt.

Tatsächlich bleiben die meisten aber bei uns. Auch wenn es nach 6, 12 oder 18 Monaten automatisch einen Wechsel in eine andere Abteilung oder ein anderes Klinikum bedeutet, möchten sie die Vorzüge bei uns nicht mehr missen. Alle unsere Mitarbeiter haben nach der Probezeit unbefristete Verträge, ein festes Einkommen und profitieren von Prämien.

Klingt nach einem Arbeitnehmertraum. Eine Frage zum Schluss dieses interessanten Interviews

Wie geht die Reise von AWA-medical weiter?

Oh, der Plan ist recht umfangreich. Natürlich wollen wir weiter wachsen und noch mehr Pflegefachkräfte vermitteln. Dann steht der Ausbau unseres eigenen Schulungssystems an. Da die Fortbildung im pflegerischen Bereich wichtig ist, bauen wir unser eigenes Schulungssystem aus, im Aufbau vergleichbar mit den Schulen von Hartmut Lang in Hamburg. Aktuell erhalten unsere Kräfte Schulungen zu Beatmungssystemen und Blutgasanalysen. Aber da gibt es noch viel mehr.

Erklärtes Ziel unserer Arbeitnehmerüberlassung ist und bleibt die Zurverfügungstellung optimal geschulter, fair entlohnter und leistungsbereiter Fachkräfte sowie deren wertschätzende Behandlung durch unsere Kunden.

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